Arbeitgebende – Unterstützung non-binärer Personen

Wie können non-binäre Personen – angestellte oder potenzielle Mitarbeitende – durch Arbeitgebende unterstützt werden? In diesem Text wird erläutert, wie non-binäre Personen durch inklusive Kommunikation unterstützt und wie Stellenausschreibungen und Bewerbungsprozesse optimiert werden können. Wie können non-binäre Mitarbeitende im Coming-out und bei der Transition unterstützt werden? Was ist zu beachten bezüglich baulicher Infrastruktur, Arbeitskleidung und Dresscodes, IT-Systeme sowie Prozesse und Policies?

Auch wenn es in der Schweiz noch keine nicht-binären Geschlechtseinträge gibt (siehe nicht-binäre Geschlechtseinträge), ist es wichtig, dass arbeitgebende Organisationen Menschen mit non-binärem Geschlecht auf verschiedenen Ebenen unterstützen, wenn sie inklusiv sein wollen und wenn sie sicherstellen wollen, die besten Kandidat*innen zu finden bzw. halten zu können.

Betrifft Sie nicht? Falls Sie denken, dass Sie dieses Thema nicht betrifft, weil Sie bis jetzt noch keine non-binären Menschen in Ihrer Organisation haben, dann sollten Sie das nochmals überdenken. Wenn wir von ca. 1% non-binären Menschen in der Bevölkerung ausgehen, dann sollten Sie statistisch gesehen mindestens eine non-binäre Person in Ihrer Organisation haben, wenn diese grösser als 100 Personen ist. Falls das doch nicht der Fall ist, kann das unterschiedliche Gründe haben. Entweder haben Sie ungeoutete non-binäre Personen in der Organisation, die aber die Kultur ihrer Organisation zu wenig diskriminierungsfrei empfinden und deshalb kein Coming-out wagen. Oder Ihre Organisation macht nach aussen einen solchen Eindruck, dass non-binäre Personen es nicht als sicher empfinden, sich bei Ihnen zu bewerben.

Auf der Seite hier sind Informationen zu finden, die speziell Arbeitgebende betreffen. Um non-binäre Menschen optimal unterstützen zu können, ist es aber auch wichtig, dass Sie generell ein gutes Verständnis haben von den Grundlagen von Geschlecht, was non-binäres Geschlecht ist und wie die Lebensrealitäten non-binärer Menschen aussehen.

Inhalt:

Kommunikation in der Organisation

Gender-inklusive Kommunikation in Ihrer Organisation – intern und nach aussen – schafft ein Umfeld für non-binäre Menschen, in dem diese sich sprachlich nicht ausgeschlossen fühlen. Dies betrifft alle Texte (Intranet, Website, Policies etc.) und Formulare (Bewerbungen, interne Prozesse etc.) und auch in der Kommunikation verwendete Bilder, Filme, Illustrationen etc. sollten nicht zu binär-normativ sein. Dies wirkt sich positiv auf non-binäre Menschen aus, die bereits in der Organisation tätig sind oder solche, die sich für eine Anstellung interessieren.

Mehr zu diesen Themen:

Sie können non-binäre Menschen auch direkt sichtbar machen, indem Sie sie in Ihrem Intranet oder auf Ihrer Website porträtieren. Als mögliches Datum dafür könnte sich der 14. Juli – der «International Non-Binary People’s Day» – anbieten. Idealerweise sind aber non-binäre Menschen unabhängig von solchen Tagen Protagonist*innen Ihrer Unternehmenskommunikation.

Stellenausschreibungen und Bewerbungsprozess

Bei der Einstellung von non-binären Personen gibt es verschiedene Dinge zu beachten – bei Stellenanzeigen und Formularen, dem Auswahlverfahren, den Interviews und dem Onboarding-Prozess.

Stellenanzeigen und Formulare für Bewerbungen

Um inklusive zu sein, formulieren Sie den Jobtitel als Funktion, in genderneutraler Sprache (siehe auch Kommunikation) oder mit englischen Begriffen. Ein paar Beispiele:

  • Temporäre Unterstützung in der Produktion
  • Fachperson Aktivierung
  • Gebietsleiter*in, Köch*in
  • Compliance Monitoring Officer

Fügen Sie einen Hinweis in Klammer hinzu, um explizit sichtbar zu machen, dass alle Geschlechter angesprochen werden – zum Beispiel so:

  • Ladenleitung (alle Geschlechter)
  • Ladenleitung (w/m/x)

In Deutschland sehen wir oft den Zusatz «w/m/d» (d = divers). In der Schweiz würden wir vom «d» aus verschiedenen Gründen abraten. In der Schweiz gibt es zurzeit noch keine nicht-binären Geschlechtseinträge und damit auch keine Standards. In Deutschland sowie Österreich gibt es zwar den Eintrag «divers», dies ist aber in beiden Ländern nicht der einzige nicht-binäre Geschlechtseintrag (siehe Recht). Bei der Verwendung eines Buchstabens an dieser Stelle würden wir das «x» empfehlen. Dies ist der Buchstabe, der generell von allen Ländern, die nicht-binären Geschlechtseinträge haben, in Reisepässen verwendet wird (siehe Recht) und hat in der Schweiz bereits eine gewisse Akzeptanz in der Community (siehe Umfrage von TGNS, 2019).

In Formularen für Bewerbungen sollten Sie eine neutrale Option für die Anrede anbieten (mehr zum Thema Formulare).

Auswahlverfahren

Von non-binären Bewerber*innen wird es unterschiedlich gehandhabt, ob sie in den Bewerbungsunterlagen ihre Non-Binarität bereits ansprechen oder nicht. Falls diese das tun, kann das auf jeden Fall als Vertrauensbeweis Ihnen gegenüber gewertet werden. Stellen Sie sich darauf ein, dass non-binäre Personen in ihren Dokumenten unterschiedliche Namen und geschlechtliche Bezeichnungen haben können. Nicht immer ist es möglich, Zeugnisse etc. rückwirkend zu ändern, wenn dies auch das Recht der non-binären Person wäre.

Generell sollten Sie beachten, dass wir alle gewisse Vorurteile und Stereotype internalisiert haben und diese sind uns meist nicht vollständig bewusst. Weil wir dies nicht vollständig verhindern können, ist es vor allem bei Personalentscheidungen wichtig, dass wir diesen Umstand aktiv reflektieren – in Bezug auf non-binäres Geschlecht und zu anderen Themen. Gestalten Sie den Auswahlprozess deshalb möglichst diskriminierungssensibel.

Interviews

Wenn die Bewerber*innen in der Bewerbung angeben, dass sie sich non-binär identifizieren, dann schauen Sie in den Unterlagen nach, was sie für Pronomen verwenden und verwenden diese. Falls Sie die Information nicht finden, dann fragen Sie die Person danach. Ein guter «Trick» für diese Frage ist sie einzuleiten mit: «Ich verwende XY Pronomen, welche Pronomen verwenden Sie?» (mehr dazu: Pronomen Anwendung). Für eine direkte Ansprache in der Art «Was meinen Sie Frau/Herr Muster?» (binäres Beispiel) können Sie Vor- und Nachname verwenden: «Was meinen Sie Kim Muster?» Die meisten non-binären Menschen empfinden das als passend. Falls Sie sich unsicher fühlen, fragen Sie die Person, ob es für sie ok ist, so angesprochen zu werden.

Achten Sie im Interview darauf, dass Sie einer non-binären Person nur Fragen stellen, welche Sie anderen Kandidat*innen auch stellen würden. Stellen Sie keine Fragen, nur aus Neugierde. Non-binäre Menschen sind sonst im Alltag schon oft mit solchen Fragen konfrontiert und in Bewerbungssituationen kann dies besonders stressig sein.

Wenn Personen ein binäres Geschlecht (F oder M) und/oder entsprechende Pronomen angeben, dann sprechen Sie sie so an. Wenn Sie den Eindruck haben, eine Person könnte non-binär sein und Sie sie dann nach dem Geschlecht oder nach Pronomen fragen, dann kann das sehr unangenehm für die Person sein (ausser Sie fragen sowieso immer alle nach Pronomen). In solchen Fällen kann es aber hilfreich sein, im Gespräch zu signalisieren, dass Ihr Unternehmen sehr offen für Geschlechtervielfalt ist und damit ungeouteten non-binären Personen die Möglichkeit zu geben, das Thema von sich aus anzusprechen. Grundsätzlich sollten immer die Bewerber*innen entscheiden können, ob und wann sie ihre Non-Binarität ansprechen wollen.

Onboarding-Prozess

Wenn Sie non-binäre Personen einstellen, stellen Sie sicher, dass spätestens beim Onboarding mindestens folgende Dinge geklärt werden:

  • Wie wird die Privatsphäre sichergestellt?
  • Werden Kolleg*innen informiert und wenn ja, wie?
  • Handhabung von Zugang zu Toiletten und Umkleiden
  • Umgang mit Diskriminierung oder Mobbing
  • Umgang mit Fragen von Kolleg*innen und Kund*innen
(Photo: The Gender Spectrum Collection, Zackary Drucker)

Coming-out und Transition in der Organisation

Wenn bereits angestellte Personen am Arbeitsplatz ein Coming-out als non-binär haben bzw. eine Transition planen, dann kann das ein belastender Prozess sein. Wenn die Organisation, Ansprechpersonen und Kolleg*innen dahingehend gut vorbereitet sind, kann das die Belastung signifikant senken.

Vorbereitung der Organisation

Ist in einer Organisation eine Offenheit für Diversität fest verankert und für alle spürbar, dann wird dies non-binären Menschen Mut machen, ein Coming-out am Arbeitsplatz zu wagen. Weitere Sicherheit können diese bekommen, wenn sie wissen, dass die Organisation Prozesse und Policies zu diesen Themen hat und diese auch konsequent umgesetzt werden.

Vorbereitung von potenziellen Ansprechpersonen

Treffen die non-binären Menschen beim sich Anvertrauen auf offene, unvoreingenommene Ohren (z.B. bei Vorgesetzten oder Personalverantwortlichen), dann gibt das viel Sicherheit. Hier geht es nicht darum, dass es bei diesen Ansprechpersonen Spezialwissen über Non-Binarität braucht. Am wichtigsten ist, dass Sie der Person unvoreingenommen zuhören und sich bewusst sind, dass diese Offenbarung ein grosser Vertrauensbeweis ist. Wenn Sie sich vorgängig schon einmal damit befasst haben, was non-binäres Geschlecht ist und was Coming-out und Transition für non-binäre Menschen bedeuten kann, dann kann Ihnen das noch etwas mehr Sicherheit geben.

Falls Sie zum ersten Mal in der Rolle sein sollten, eine non-binäre Person zu begleiten und unterstützen, kann es helfen, wenn Sie sich Beratung holen. So kann sichergestellt werden, dass der Ablauf optimal geplant und einzelne Schritte gut aufeinander abgestimmt sind. Bei der Gestaltung dieses Prozesses sollte aber die non-binäre Person immer im Lead sein.

Sensibilisierung von Kolleg*innen

Damit sich non-binäre Menschen nach einem Coming-out in ihrem Arbeitsalltag akzeptiert fühlen können, ist es unumgänglich, dass alle Mitarbeitenden mit direktem Kontakt auch ein gewisses Verständnis für Non-Binarität, die Verwendung von Pronomen etc. haben. Wenn non-binäre Personen ein Coming-out haben, nachdem sie bereits eine Weile in der Organisation sind, ist das vor allem wichtig, weil die Kolleg*innen diese Person schon eine Weile unter anderem Namen und/oder mit anderen Pronomen kennen.

Diese Sensibilisierung können Sie unterstützen mit internen Informationsveranstaltungen, Informationen im Intranet etc. Auch hier kann es von Vorteil sein, sich Unterstützung zu holen.

Bauliche Infrastruktur

Schauen Sie, dass Sie in Ihrer Organisation genderinklusive Toiletten und Umkleiden anbieten können.

Schild: WC alle Geschlechter
Neutrale WC Beschriftung (siehe auch Downloads)

Bei bestehenden Bauten können einzelne Räumlichkeiten genderinklusive umbeschriftet werden. Bei Neubauten hat das Anbieten von abschliessbaren Einzelkabinen auch für andere Personen Vorteile.

Mehr zu Architektur & Signaletik >

Arbeitskleidung und Dresscodes

Wenn Sie Ihren Mitarbeitenden Kleidung zur Verfügung stellen, dann teilen Sie diese nicht ein in Modelle für «Damen» oder «Herren», sondern unterscheiden Sie die Kleidungsstücke nach Schnitt und Grösse. Haben Sie in Ihrer Organisation einen Dresscode, dann halten Sie diesen geschlechtsneutral. Regeln über die Kombination von Hosen mit Jackett, Länge von Röcken, etc. können problemlos unabhängig von Geschlecht definiert werden.

Mehr zum Thema siehe «Weitere Quellen» unten.

IT-Systeme

Schauen Sie, dass Ihre IT-Systeme Geschlecht bzw. Anrede in mehr als zwei Kategorien abspeichern können, machen Sie sich bewusst, wo welche Information benötigt wird (Geschlecht und Anrede sind nicht dasselbe) und bieten Sie auch die Möglichkeit, dass Pronomen von Personen gespeichert werden können. Siehe dazu auch Formulare. Diese Anpassungen sind nicht nur für Mitarbeitende relevant, sondern auch für non-binäre Kund*innen.

Formular: Frau, Herr, neutrale Anrede, keine Angabe
Formular für die Anrede (mehr zu Formularen)

Für die non-binären Mitarbeitenden ist vor allem wichtig, an verschiedenen Orten Pronomen platzieren zu können: auf Visitenkarten, E-Mail-Signaturen, Briefköpfen, in Mitarbeitenden-Verzeichnissen (im Intranet und auf der Website) etc.

Mehr zu User Experience Design >

Prozesse und Policies

Für non-binäre Menschen und deren Ansprechpersonen in der Organisation ist es eine grosse Entlastung, wenn verschiedene Dinge in Prozessen und Policies geregelt sind:

  • Änderung von Namen und Pronomen – auch wenn diese amtlich noch nicht geändert sind – an verschiedenen Stellen:
    • Dokumente (Lohnabrechnungen etc.)
    • E-Mail-Adressen
    • Intranet und Website der Organisation
    • Namensschilder (an Türe, zum Anstecken, Postfächer, Schränke etc.)
    • Visitenkarten, Briefköpfe, E-Mail-Signaturen
  • Begleitung von und Unterstützung in Coming-out und Transition
  • Regelungen zu Abwesenheit und finanzieller Unterstützung bei medizinischer Transition
  • Schutz der Privatsphäre bezüglich altem bzw. amtlichem Namen etc.
  • Umgang bei Diskriminierung oder Mobbing
  • Zugang zu Toiletten und Umkleiden und Sicherstellung inklusiver Infrastruktur
  • Genderneutrale Dresscodes
  • Sicherstellung einer inklusiven IT-Infrastruktur

Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen im Kontext «Arbeit» siehe die Broschüre «Trans Menschen in der Arbeitswelt» von TGNS: Downloads auf der trans welcome Website. Wir haben auch einen Überblickstext zum Thema Recht und non-binäres Geschlecht.

Wichtig ist, dass die oben genannten Regelungen gut auffindbar sind und allgemein bekannt ist, dass sie existieren. Es empfiehlt sich in den Texten «Non-Binarität» nebst «Transgeschlechtlichkeit» separat zu erwähnen, denn nicht alle non-binären Menschen definieren sich auch als Trans.

Beratung für Organisationen

Damit sich eine Organisation für die Anstellung non-binärer Personen und das Coming-out von bereits angestellten Personen optimal vorbereiten kann, hilft es, sich Unterstützung von aussen zu holen. Entsprechende Angebote sind:

  • Evianne Hübscher – Beratung von Organisation zu Geschlechtervielfalt und speziell zu non-binärem Geschlecht
  • trans welcome – Projekt von Transgender Network Switzerland (TGNS) zu Trans in der Arbeitswelt

Weitere Quellen


Text von: Evianne Hübscher
Erste Veröffentlichung: 16.9.2022 | Letztes Update: 14.3.2024