Transition für non-binäre Menschen

Wie kann eine Transition für non-binäre Menschen aussehen? Welche verschiedenen Aspekte hat eine Transition und wie spielen diese zusammen?

Transition

Der Begriff «Transition» kann definiert werden als: Prozess der sozialen, rechtlichen und/oder medizinischen Angleichung an die Geschlechtsidentität (Quelle: TGNS Informationsbroschüre). Wie in dieser Definition sind damit meist nur äussere Massnahmen gemeint, wir können den Begriff aber auch auf einen parallel ablaufenden inneren Prozess zu einem immer besseren Selbstverständnis ausweiten. Hier werden die verschiedenen Aspekte der inneren und äusseren Transition aus einer Perspektive von non-binärem Geschlecht beleuchtet.

Hinweis: Dies ist keine rechtliche oder medizinische Beratung und ersetzt keine solche. Wer sich im Prozess einer Transition befindet, soll sich von den TGNS-Beratungsstellen und von Fachpersonen zu den jeweiligen Themen beraten lassen. Wir übernehmen in keiner Form die Haftung bezüglich der gegebenen Informationen. Weiter ist auch in keiner Weise die Meinung, dass die Prozesse genau so ablaufen müssen. Dies sollen nur Inspirationen sein. Jede Person muss für sich selber spüren, was davon stimmig ist und was nicht. Die praktischen Informationen beziehen sich nur auf die Situation in der Schweiz.

Wichtige Punkte zum Thema Transition

1​Eine Transition ist nicht Voraussetzung dafür, in einem non-binären Geschlecht zu leben. Wenn wir uns als non-binär empfinden und definieren, dann «sind» wir non-binär. Weitere Schritte sollten wir nur machen, wenn es uns ein Bedürfnis ist – nicht um etwas zu beweisen (es muss nichts bewiesen werden).

2​ Jede Transition ist individuell. Es gibt nicht «einen richtigen» Weg für eine non-binäre Transition. Eine Transition ist nie «zu wenig konsequent», «zu binär», «zu unentschlossen» oder zu irgendwas … Es ist unsere eigene Transition. Punkt.

3​Transitionen sind oft nicht so systematisch wie hier beschrieben und das ist normal. In diesem Text haben die Themen, Massnahmen etc. einen gewissen logischen Aufbau, damit sie besser nachzuvollziehen sind beim Lesen. Oft läuft dieser Prozess sehr viel «ungeordneter» und intuitiver ab. Das ist ok und natürlich.

4​Nimm dir Zeit und lasse dich gut beraten. Mache die Schritte einer Transition nicht, ohne dir gut zu überlegen, was du wirklich brauchst und was die Konsequenzen sind. Hole dir Unterstützung von Fachpersonen, Beratungsstellen und auch von anderen non-binären Menschen in der Community.

5​Eine Transition löst nicht automatisch alle unsere Probleme. Eine Transition kann viel zu unserem Wohlbefinden beitragen. Wir sollten uns aber bewusst machen, dass es vielleicht in unserem Leben gewisse Herausforderungen gibt, die durch eine Transition nicht verschwinden – vielleicht sogar besser spürbar werden. Sucht euch wenn nötig Hilfe, um auch diese Aspekte anzugehen.

Nicht ein vorgezeichneter Weg

Wenn die Medien über das Thema Trans berichten, sind sie dabei immer überaus interessiert am äusseren Prozedere. Bei den Beiträgen werden in den allermeisten Fällen auch nur die Wege von Menschen gezeigt, die ihr Geschlecht binär definieren und die Berichterstattung schiesst sich dabei meist auch auf die Aspekte ein, die zu einem klischeehaften Ablauf passen. Alles was als «Umweg» gesehen werden könnte und auch innere Vorgänge werden dabei meist weitgehend ausgeblendet. So stellen sich non-binäre Menschen oft die Frage: «Ist eine Transition für uns überhaupt möglich?» Die kurze Antwort auf die Frage ist: «Ja klar ist diese möglich.» Aber weil es so viele Variationen von nicht-binärem Geschlecht gibt, kann der Weg auch ganz unterschiedliche Verläufe haben.

So kommt es zum Beispiel häufig vor, dass Menschen auf verschiedenen Abschnitten dieses Weges sich unterschiedlich definieren. So gibt es auch trans Menschen, die sich eine Zeit lang binär definieren und dann später zum Schluss kommen, dass dieses Geschlecht nicht zu ihnen passt und sie ein non-binäres Geschlecht passender finden. Es ist aber auch legitim, dass ein non-binäres Geschlecht als eine Art «Zwischenetappe» dient, um herausfinden zu können, ob eine Transition ins andere binäre Geschlecht stimmig ist oder nicht. Oder es kann auch sein, dass eine zwischenzeitliche Definition als ein non-binäres Geschlecht jemandem hilft, später wieder «befreit» als das zugeschriebene Geschlecht zu leben.

Verschiedene Wege wie im Text beschrieben

Wir möchten solche Wege nicht als Umwege sehen, sondern als eine Entwicklung, die immer eine positive Entwicklung zu einem besseren Selbstverständnis und einem besseren Wohlbefinden ist. Auch wenn wir etwas tun, was wir im Nachhinein als «Fehler» empfinden, können wir das als eine wertvolle Lernerfahrung sehen. Aus dieser Perspektive ist jeder Weg eine Bereicherung, wenn auch gewisse Lernerfahrungen einen sehr hohen Einsatz bedingen können. Aber so kann die gemachte Erfahrung dann auch umso wertvoller sein.

Wichtig wäre auch, dass die Gesellschaft und v.a. auch Fachpersonen sich in dieser Hinsicht etwas mehr entspannen. Unsere Kultur ist besessen davon, dass Geschlecht etwas fixes sein muss. Aber viele nicht-binäre Personen wissen aus eigener Erfahrung, dass diese Starrheit sich sehr stark lockern kann, wenn wir nur den Mut haben, uns darauf einzulassen. Aber für uns nicht-binäre Menschen bedeutet diese Offenheit dann auch, dass wir mehr Verantwortung für uns übernehmen müssen. Wir müssen selber entscheiden, was wir brauchen und wir müssen uns über die gesundheitlichen oder rechtlichen Konsequenzen unserer Handlungen bei den entsprechenden Fachpersonen gut informieren.

Innere Transition

«Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.»

— Laozi

Der allergrösste Teil von Transitionen beginnt wohl mit der Erkenntnis «Ich bin nicht das zugeschriebene Geschlecht.» Wenn wir dann aber auch noch zum Schluss kommen, dass es «die andere» von der Gesellschaft vorgesehene Option auch nicht ist, dann stellt sich die Frage, «wo die Reise hingehen soll».

Inneres und äussere Coming-outs sowie innere und äussere Transition

Der Begriff «Transition» wird in der Regel nur für den Prozess der äusseren Angleichung an die Geschlechtsidentität verwendet. Für das innere Erleben gibt es zwar den Begriff des «inneren Coming-outs», dieser scheint aber in Bezug auf non-binäres Geschlecht sehr limitiert. In den wenigsten Fällen ist es so, dass wir uns selber nur «eingestehen müssen» (was auch einen weiteren problematischen Aspekt des Begriffs «Coming-out» sichtbar macht), dass wir «nicht (nur) Mann oder Frau sind» (also nicht binär) und dann ist gut. In den meisten Fällen ist das lediglich ein erster Schritt eines inneren Prozesses der Selbstfindung. Eine «innere Transition» kann uns helfen, dass wir uns immer genauer definieren können und sie kann uns Sicherheit geben, ob wir äussere Massnahmen von Transition in Erwägung ziehen wollen und welche.

Um eine äussere Angleichung an unsere Geschlechtsidentität machen zu können, sollten wir diese Identität wirklich kennen. Aber auf der anderen Seite ist es auch sehr wahrscheinlich, dass sich unser Selbstverständnis verändert, wenn wir durch Coming-out und Schritte in einer äusseren Transition uns selber anders wahrnehmen und auch von anderen anders wahrgenommen und behandelt werden. Diese Aspekte hängen meist zusammen.

Selbstverständnis

Unser Selbstverständnis ist unsere Ausgangslage. Wie fühle und verstehe ich mich? Dieser Aspekt betrifft erst mal nur mich. Für dieses Selbstverständnis ist es hilfreich, sehr gut zu verstehen, was die verschiedenen Aspekte von Geschlecht sind (siehe Grundlagen), was genau non-binäres Geschlecht ist (siehe non-binäres Geschlecht) und was es für Ausprägungen von non-binärem Geschlecht gibt (siehe Ausprägungen, Labels). Dieses Wissen kann helfen herauszufinden, auf welchen Ebenen wir mit unserem zugeschriebenen Geschlecht «Unwohlsein» verspüren (sogenannte «Dysphorie») und ob allenfalls bestehende Definitionen von Geschlecht helfen können uns zu orientieren.

Es gibt non-binäre Menschen, die ganz deutlich spüren können was ihr Geschlecht ausmacht. Wenn diese dann auch eine ganz klare Vorstellung haben, wie sie dieses mit ihrer Genderpräsentation ausdrücken können, ob sie medizinische und rechtliche Massnahmen benötigen oder nicht, dann können sie sich überlegen, wie diese am besten umzusetzen sind. Wichtig ist auch zu verstehen, dass einigen Menschen eine klare Definition ihrer Geschlechtsidentität (d.h. ein klarer Begriff dafür) helfen kann und für andere ist das eher hinderlich. In dieser Hinsicht gibt es kein richtiges oder falsches Vorgehen.

Ganz viele non-binäre Menschen können ihr Geschlecht aber erst mal nicht so genau ausdrücken. Sie sind sich vielleicht nur sicher, nicht das zugeschriebene Geschlecht zu sein und oft gibt es Bereiche im Alltag, wo sich das deutlicher zeigt als in anderen. Diesen Hinweisen können sie dann in kleinen Schritten nachgehen und immer mehr über das eigene Geschlecht lernen.

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Coming-out

Wenn wir unsere ersten äusseren Coming-outs haben, dann beeinflusst das oft auch nochmals diesen inneren Prozess. Die Erfahrungen beim Coming-out können den Prozess beschleunigen oder auch zwischendurch hemmen.

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Psychologische Begleitung – Beratung oder Therapie

In Zusammenhang mit einer Transition gibt es zwei Arten von psychologischer Begleitung. Einerseits kann eine psychologische Beratung oder Therapie hilfreich sein, die Entdeckungsreise der inneren Transition zu unterstützen – zu helfen, sich besser zu verstehen und mit Schwierigkeiten besser umgehen zu können. Andererseits sind Psycholog_innen oder Psychiater_innen im Moment noch notwendig wegen den Vorgaben von Krankenkassen und behandelnden Ärzt_innen im Zusammenhang mit medizinischen Massnahmen oder auch für eine rechtliche Transition. Dieser Aspekt in Bezug auf die medizinische Transition wird unten noch genauer erläutert. Hier soll jetzt mal auf die Begleitung der inneren Transition eingegangen werden.

Für die Begleitung des inneren Prozesses ist es wichtig, eine passende Fachperson zu finden. Diese muss sich in die Non-Binarität einfühlen können und darf uns in keiner Weise ihre eigene Sicht aufdrücken. Die Aufgabe der Fachperson ist, ein Gesprächs- und Reflexionsangebot zu bieten. Dabei soll die Fachperson uns Fragen stellen, damit wir unser Geschlecht besser verstehen können. Aber die Fachperson muss trotzdem die Haltung haben, dass wir immer und zu jeder Zeit Expert_innen unseres Geschlechts sind. Für cis Fachpersonen kann eine solche Arbeit sehr anspruchsvoll sein, weil sie eine sehr tiefgehende Selbstreflexion voraussetzt. Leider kommen viele Fachpersonen an ihre Grenzen, wenn sie non-binäre Menschen bei diesem Prozess begleiten müssen, auch wenn sie schon viele trans Personen mit einer binären Geschlechtsidentität erfolgreich begleitet haben.

Für die Begleitung des inneren Prozesses hilft es auch sehr, wenn sich die begleitende Person wirklich mit dem «Gelände der non-binären Geschlechter» und mit praktischen Tipps gut auskennt – nur offen sein reicht hier oft nicht aus. Um aber realistisch zu sein, gibt es wohl fast keine Fachpersonen, welche alle diese Voraussetzungen mitbringen. Deshalb kann es sehr hilfreich sein, dass wir uns neben der psychologischen Begleitung auch noch Hilfe aus der Community holen. Wenn wir einen Berg besteigen wollen, dann möchten wir ja auch nicht nur begleitet werden von Menschen, die solche Berge nur aus Büchern kennen. Sondern wir wenden uns an Leute, die schon selber einmal auf einen ähnlichen Berg gestiegen sind.

Aus den oben genannten Gründen ist es wichtig, dass wir uns gut informieren auf der Suche nach geeigneten Personen (siehe Beratungsangebote und andere non-binäre Leute treffen) und auch während der Begleitung immer wieder überprüfen, ob wir uns gut aufgehoben fühlen.

Zusammenspiel innere und äussere Transition

Die Erfahrungen vieler non-binärer Menschen zeigen, dass die innere und die äussere Transition sehr eng zusammenhängen. Es braucht eine gewisse innere Gewissheit, um äussere Massnahmen anzugehen. Aber oft lösen auch Veränderungen im Äusseren wieder viel aus in unserem Inneren. Das erleben viele so. Deshalb ist es hilfreich, den Prozess langsam anzugehen und immer wieder zu beobachten, was einzelne Schritte für einen Einfluss haben auf unser Erleben. Oft genügt hier in einer Anfangsphase eine andere Frisur oder ein anderer Vorname im Freundeskreis zu benutzen. Dabei ist es hilfreich, wenn wir unsere inneren Reaktionen gut beobachten und uns Zeit lassen. Wenn wir kleine Schritte machen, kann das auch hilfreich sein, um genau zu sehen was welche Auswirkungen hat. So können wir mit einfach veränderbaren Dingen Erfahrungen sammeln, um uns dann sicherer zu sein, welche Schritte wir weiter gehen wollen, die weitreichendere Konsequenzen haben. Dieses Zusammenspiel macht die Wege von Transitionen auch extrem individuell. Das ist gut so. Am wichtigsten in einer Transition ist wohl, dass es sich für euch gut anfühlt und euch Kraft gibt.

Wie oben beschrieben werden «binäre Transitionen» in der medialen Berichterstattung oft als klar vorgegeben beschrieben. Auch Geschichten über non-binäre Menschen werden von den Medienschaffenden oft «vereinfacht», weil ja die «arme Leserschaft» nicht überfordert werden soll. Für uns non-binäre Menschen hat das aber den unangenehmen Nebeneffekt, dass wir wenig über die oft verschlungenen inneren Prozesse erfahren. Zum Glück gibt es aber immer mehr Autobiographien von non-binären Menschen, die eben genau diese Ebene genauer beleuchten (z.B. «Nonbinary: Memoirs of Gender and Identity» von Rajunov & Duane – siehe Bücher).

Äussere Transition

Bei der äusseren Transition geht es darum, unser Inneres und Äusseres möglichst gut in Einklang zu bringen. Dabei können wir unterscheiden zwischen sozialer, rechtlicher und medizinischer Transition.

Wenn wir uns an äussere Veränderungen machen, ist die Frage, was wir uns am meisten wünschen oder was uns am meisten stört. Das könnte z.B. sein:

  • Ein gewisser Teil meines Körpers ist sehr unangenehm für mich.
  • Ich möchte mich femininer ausdrücken können.
  • Ich finde es sehr unangenehm, gegendert zu werden.
  • Ich möchte experimentieren, um herauszufinden, was für mich passt.
  • Mein Geburtsname in meinem Ausweis stresst mich extrem.
  • Ich will einen Bart.

Auf dieser Basis entscheidet sich dann auch, ob die nächsten Schritte für uns eher auf der sozialen, rechtlichen oder medizinischen Ebene liegen. Aber wie oben erwähnt, kann dieser Prozess auch sehr «frei fliessend» verlaufen.

Passing oder was?

Bei trans Menschen, die sich binär definieren, wird oft davon gesprochen, dass sie sich von einer äusseren Transition ein möglichst gutes «Passing» erhoffen. Damit wollen sie meistens sagen, dass sie als cis Menschen gelesen werden möchten bzw. sie wollen möglichst nicht als trans «erkannt» (englisch: clocked) werden.

Bei non-binären Menschen ist der Begriff des «Passing» aber weniger hilfreich. Zwar kann es sein, dass non-binäre Menschen als eines der binären Geschlechter gesehen werden wollen. In vielen Fällen wollen non-binäre Menschen aber auch als solche «erkannt» (gelesen) werden. Das Problem ist hier aber, dass es für eine non-binäre Präsentation zur Zeit keine Vorbilder gibt. Ganz «gemein» ist dabei: Wenn wir auch ganz klar wissen, was wir ausdrücken möchten, garantiert das nicht, dass andere das auch auf gleiche Weise interpretieren wie wir.

Es stellt sich die Frage, was denn überhaupt gewünscht ist. Mögliche Antworten wären:

  • Sich selber weniger stark als ein binäres Geschlecht zu erleben.
  • Weniger «schnell/eindeutig» als ein binäres Geschlecht gelesen zu werden.
  • Sichtbar zu machen, nicht einem der binären Geschlechterstereotypen zu entsprechen.
  • Unmöglich zu machen, dass andere uns einem binären Geschlecht zuordnen können.
  • Die Präsentation flexibel zwischen «Mann» und «Frau» ändern zu können.

Auf dieser Basis können wir uns dann überlegen, was wir machen könnten, um das zu erreichen. Es gibt unzählige Dinge, die wir tun können, um unseren Look zu «verweiblichen» oder zu «vermännlichen» (siehe z.B. die Website gender construction kit). Aus einer non-binären Perspektive können wir uns all dieser Techniken bedienen und sie so mischen, wie es für uns stimmt.

Soziale Transition

In den Bereich der sozialen Transition fallen Themen wie Gender Präsentation und Sprache (v.a. Namen und Pronomen).

Soziale Transition: Gender Präsentation oder Ausdruck

In Bezug auf die Gender Präsentation ist wichtig vorauszuschicken, dass wir überhaupt nicht «non-binär aussehen» müssen (was auch immer das heissen mag), um uns non-binär zu definieren. Wir können auch «typisch weiblich oder männlich» aussehen und uns non-binär definieren.

Zum Ausdruck gehören verschiedene Dimensionen unserer äusseren Erscheinung wie:

  • Kleidung und Styling
  • Frisur, Gesichts- und Körperbehaarung
  • Körperform (Brust, Muskulatur, Fettverteilung, etc.)
  • Stimme, Art der Kommunikation und Körpersprache
  • Bewegung im Raum und «Energie»

Diese Aspekte werden von den meisten Leuten durch eine «Gender Brille» wahrgenommen – meist eine sehr binäre. Gewisse dieser Attribute sind sehr einfach zu verändern (Kleidung, Frisur etc.), andere können wir aber nicht so einfach beeinflussen (Körpersprache, Art der Kommunikation etc.). Bei einzelnen davon brauchen wir sogar medizinische Massnahmen oder wir können sie gar nicht beeinflussen, sondern nur cachieren. Für ein «non-binäres Styling» können wir uns Inspirationen holen z.B. bei der Website Qwear.

Soziale Transition: Sprache

Im Bereich der Sprache können wir das non-binäre Geschlecht mit unserem Vornamen und mit unseren Pronomen ausdrücken.

In vielen Bereichen des Lebens ist es relativ einfach, den Vornamen zu ändern. Wir fragen uns, was unser Geschlecht am besten ausdrückt (z.B. ein Geschlechtsneutraler Name, eine neue Kreation, eine Kombination von mehreren unterschiedlichen Namen) und beginnen damit zu experimentieren. Vielleicht beginnen wir damit erst einmal in einem bestimmten Lebensbereich (in einem «Safe Space»). Wenn wir uns dann sicher sind, wollen wir allenfalls auch rechtliche Schritte für eine Vornamensänderung einleiten (mehr dazu siehe unten) oder vielleicht ist es uns auch egal, dass unser amtlicher Name nicht der gleiche ist, wie derjenige, den wir im Alltag verwenden. Gewisse non-binäre Menschen finden ihren Geburtsnamen sehr stimmig und sehen hier keinen Bedarf für eine Veränderung.

Kompliziert wird es dann aber im Deutschen, wenn es zu Pronomen kommt (siehe auch Sprache und non-binäres Geschlecht). Wie sollen sich andere auf uns beziehen – wenn nicht mit «er» oder «sie»? Im Deutschen gibt es neben «sie» oder «er» keine neutrale Option für Personen. Zwar gibt es im Deutschen das «es», welches auch einige non-binräre Menschen für sich verwenden. Aber für viele ist das keine akzeptable Option und für sie bleibt die Suche nach einem passenden Pronomen schwierig. Wenn sich auch im Englischen in den letzten Jahre das «they» durchgesetzt hat, ist für das Deutsche noch keine solche Lösung in Sicht. Zwar gibt es einige Vorschläge für sogenannte «neo Pronomen» (z.B. xier, nim, sie*er), diese sind aber noch nicht allgemein bekannt (mehr dazu bei Pronomen Anwendung).

Abgesehen von den Pronomen können wir uns auch – z.B. in den Organisationen, in welchen wir arbeiten – dafür einsetzen, dass andere Teile der Sprache für uns inklusiver werden, z.B. bei Begrüssungen, Berufsbezeichnungen etc. (mehr dazu bei Kommunikation). Das sollten wir aber nur dann machen, wenn dies nicht unangenehme Konsequenzen für uns hat. Es ist schön, wenn sich viele Menschen für eine genderreflektierte Sprache einsetzen, es soll sich aber auch niemensch dazu genötigt fühlen. Das eigene Wohlbefinden hat im Zweifelsfall immer Priorität.

Rechtliche Transition

In den Bereich der rechtlichen Transition fallen primär die amtliche Änderung des Vornamens und die Änderung des amtlichen Geschlechts. Seit 2022 ist die binäre Änderung des Geschlechtseintrages sehr einfach geworden.

Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in der Schweiz aber noch keinen non-binären amtlichen Geschlechtseintrag. Im Moment gibt es nur die zwei Optionen «F» oder «M» (mehr dazu bei nicht-binäre Geschlechtseinträge und Recht und non-binäres Geschlecht).

Die Änderung des Vornamens ist in der Schweiz für non-binäre Menschen möglich und hier gibt es auch recht viel Spielraum. Dabei ist es z.B. möglich, einen weder eindeutig weiblich noch eindeutig männlich gelesenen Namen anzunehmen oder auch eine gemischte Kombination mehrerer Namen.

Mehr Informationen finden sich bei den rechtlichen Informationen von TGNS. Solltest du bei rechtlichen Themen Unterstützung benötigen, wende dich an die TGNS Rechtsberatung.

Medizinische Transition

Aus Erfahrungen in der Community kann gesagt werden, dass es sehr unterschiedlich ist, ob non-binäre Menschen medizinische Massnahmen ergreifen oder nicht und welche das sind.

Für die Planung von medizinischen Massnahmen ist es sehr wichtig, sich gut beraten zu lassen und unterschiedliche Meinungen einzuholen. Dabei helfen die TGNS Fachstellen für die Klärung grundlegender Fragen und dann sollen aber auch Beratungen durch Fachpersonen mit der jeweiligen Spezialisierung erfolgen.

In diesem Text wird vor allem auf die Aspekte der medizinischen Transition eingegangen, die aus einer non-binären Perspektive erwähnenswert erscheinen. Allgemeine Informationen zur Medizinischen Transition finden sich z.B. bei TGNS > Information > Medizin. Eine sehr interessante Quelle für Informationen rund um das Thema «non-binäre medizinische Transition» ist die Website: genderqueer.me (Bereiche: non-binary transition & resources > transition).

Medizinische Transition: Psychologische Begleitung

Wie oben erwähnt, sind Psycholog_innen oder Psychiater_innen bei medizinischen Massnahmen im Moment noch notwendig wegen Vorgaben der Krankenkassen und behandelnden Ärzt_innen (Bestätigung der Diagnose und Indikationsstellung der Massnahme). Eine psychologische Begleitung kann hier aber auch hilfreich sein, um Schwierigkeiten in Bezug auf die Transition mit einer neutralen Person besprechen zu können (mehr zur psychologischen Begleitung der inneren Transition siehe oben). Die TGNS Fachstellen können helfen, eine geeignete Fachperson zu finden. Informationen von TGNS zur psychologischen Begleitung

In Bezug auf non-binäres Geschlecht ist wichtig darauf hinzuweisen, dass früher Behandlungsempfehlungen (die heute als veraltet gelten) eine sehr binäre Sicht auf Geschlecht vertreten haben. Leider sind heute noch einige Fachpersonen in einer solch veralteten Sicht stehen geblieben. Moderne Behandlungsempfehlungen (z.B. die aktuellen WPATH SOC) basieren auf dem «Modell der informierten Zustimmung» (informed consent). Das bedeutet, dass die Fachpersonen die Aufgabe haben sicherzustellen, dass ihr die körperlichen und psychischen Konsequenzen einer Massnahme wirklich versteht. Aber basierend auf diesen Informationen entscheidet ihr dann, wie es weiter geht. Falls ihr den Eindruck habt, die Fachperson will euch ihre eigene Sicht «aufdrücken» (d.h. sog. Gatekeeping betreibt), dann solltet ihr allenfalls eine andere Begleitung suchen. Hier müssen wir keine Kompromisse eingehen.

Medizinische Transition: Hormone

Aus einer non-binären Perspektive ist wichtig zu wissen, dass Hormone nur «verweiblichen» oder «vermännlichen» können, sie können aber nicht «non-binarisieren». Weiter haben Hormone immer Effekte auf mehreren Ebenen und die Stärke der Auswirkungen variiert bei Menschen. Auch Fachleute können also nicht genau vorhersagen, was die Effekte sein werden und wie stark sie ausfallen. Wichtig zu beachten ist, dass gewisse Effekte von Hormonen reversibel sind und andere nicht. Aber ein Vorteil von Hormonen ist, dass die Dosis graduell erhöht werden kann oder die Hormone schwach dosiert (sog. Microdosing) oder wieder abgesetzt werden können. So können wir allenfalls auch eine gewisse «Mischung von Effekten» erreichen. Hier ist es sehr hilfreich, sich auch mit anderen non-binären Menschen auszutauschen (siehe non-binäre Leute treffen), weil Fachpersonen oft auch keine Erfahrung damit haben.

Wenn wir zum Schluss kommen, dass Hormone wichtig sein könnten, ist es wichtig, uns gut zu überlegen, welche Effekte gewünscht und welche Entwicklungen unerwünscht wären. So kann dann zusammen mit Fachpersonen ein Vorgehen geplant werden (Ärzt_innen mit Spezialisierung in Endokrinologie, Gynäkologie, Urologie oder erfahrene Hausärzt_innen). Es wird ausdrücklich davon abgeraten, Hormone ohne ärztliche Kontrolle einzunehmen. Weitere Informationen zur Hormontherapie bei TGNS

Medizinische Transition: Operationen

Die Erfahrung aus der Community zeigt, dass auch in Bezug auf Operationen die Wege sehr verschieden sein können. Gewisse non-binäre Menschen haben eine Operation als erste und einzige medizinische Massnahme. Andere haben nie eine solche. Bei Operationen gibt es zwar nicht die Möglichkeit der «tiefen Dosierung» wie bei Hormonen, aber dafür gibt es verschiedene Arten der Ausführung.

Vor allem auch bei Operationen ist es wichtig, sich bei verschiedenen Chirurg_innen gut zu informieren. Weiterführende Informationen und zu klärende Fragen finden sich im Informationsbereich von TGNS.

In Bezug auf Operationen ist wichtig zu wissen, dass eine Hormontherapie nicht Voraussetzung dafür ist. Zwar gibt es immer noch einzelne Fachpersonen, die so etwas behaupten, aber solche Bedingungen stammen aus veralteten Behandlungsempfehlungen.

Medizinische Transition: Krankenkassen

Für die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse verlangt diese eine «Diagnose trans» (z.B. «Gender Dysphorie») und eine Bestätigung, dass die gewünschte Massnahme notwendig ist. Hierzu ist wichtig, eine Fachperson für Psychotherapie oder Psychiatrie zu haben, die einem das bestätigt (siehe auch oben). Allgemeine Informationen zum Umgang mit Krankenkassen sind zu finden bei den TGNS Informationen zu Recht.

Im Umgang mit Krankenkassen ist aus non-binärer Sicht vorteilhaft, eher vorsichtig vorzugehen, weil wir von aussen nicht abschätzen können, wie die zuständigen Personen in den Krankenkassen auf die Anträge reagieren. So können wir uns das Leben erleichtern, wenn wir diplomatisch vorgehen. Zwar müssen wir den Krankenkassen aufzeigen, dass das zugeschriebene Geschlecht falsch ist und körperliche und/oder soziale Dysphorien bestehen. Aber es ist wahrscheinlich klüger, den Ausdruck «non-binär» hier nicht zu verwenden oder wenigstens nicht alleinstehend. Denn das Risiko besteht, dass dies ein unnötiges Hindernis sein könnte. Mit dieser Taktik müsst ihr euch auch nicht misgendern lassen (als trans Frau/Mann bezeichnen lassen), denn wesentlich ist nur das Unbehagen gegenüber dem zugeschriebenen Geschlecht (d.h. ihr unter gewissen Merkmalen eures Körpers leidet; Belastungen erleidet, als ein Geschlecht gelesen zu werden, mit dem ihr euch nicht identifiziert o.ä.).

In vielen anderen Fällen würden wir euch ermutigen, euer non-binäres Geschlecht zu benennen, denn nur so kann es sich etablieren. Aber hier könnte es vorteilhaft sein, die Aussagen etwas mehr vage zu halten. Versteht das nicht als ein «nicht zu euch stehen» oder so. Seht es eher als pragmatischen Kompromiss, um einen steinigen Weg allenfalls etwas zu vereinfachen. Es wäre schön, wenn das anders möglich wäre, aber leider ist hier wohl die Gesellschaft noch nicht ganz so weit im Moment.

Solltet ihr Probleme mit der Krankenkasse haben, wendet euch an die TGNS Rechtsberatung.

Nochmals: Jeder Weg ist individuell!

Dieser Text versucht, die verschiedenen möglichen Aspekte einer Transition möglichst klar und systematisch zu erklären. Die Hoffnung ist, dass es damit besser nachvollziehbar wird. Dieser Prozess kann aber in der Realität sehr unstrukturiert und intuitiv ablaufen. Das ist total ok. Seht das hier vermittelte Wissen im Sinne einer Vorlage, die beliebig abgeändert oder ignoriert werden kann. Prüft immer, was für euch stimmt und was nicht. Gute Reise!

Weitere Quellen


Text von: Evianne Hübscher
Erste Veröffentlichung: 18.11.2020 | Letztes Update: 14.10.2023