Non-binäres Geschlecht im 2019

31.12.2019 · Chri Hübscher

Auf nonbinary.ch haben wir im 2019 viele kleine Ergänzungen gemacht (siehe News Archiv). Die grossen neuen Beiträge waren das «Merkblatt ‹nicht-binäres Geschlecht in der Sprache›» (25.03.2019) und der neue Text zu «Coming-out» (17.11.2019).

Aber auch sonst gewinnt das Thema – in der Schweiz und international – immer mehr an Bedeutung. Einiges davon soll in diesem Blogbeitrag dokumentiert werden.

Anmerkung zum Blog: Auf dieser Website gibt es nicht viele Blogbeiträge – warum? Die Website hat nicht den Anspruch tagesaktuell alle Informationen zum Thema non-binäres Geschlecht zusammenzustellen, sondern eher Basiswissen möglichst gut zugänglich zu machen. Deshalb sind in den verschiedenen Bereichen nicht möglichst viele aktuelle Beiträge zum Thema zusammengestellt, sondern die eher «zeitlosen» Informationsquellen. Aber ja, von Zeit zu Zeit soll es hier auch mal eine «Momentaufnahme» geben.

In der Schweiz

In den Schweizer Publikationen und in der Social Media Landschaft tauchen immer mehr Beiträge zu non-binärem Geschlecht auf.

Medienbeiträge von non-binären Menschen zu non-binären Themen

Zum Glück wird je länger je mehr nicht mehr nur über uns berichtet, sondern dank modernen Publikationen und Social Media können auch immer öfters non-binäre Menschen selber über das Thema berichten.

In der dreiteiligen Serie in der Republik «Sascha, 26, non-binär» schreibt Sascha Rijkeboer über sich selbst:
Teil 1: Warum ich als Frau gelesen werde (21.12.2018)
Teil 2: «So Leute wie dich!» (16.01.2019)
Teil 3: In der Pathologisierungs­maschinerie (20.02.2019)

International gibt es schon länger verschiedene Podcasts von non-binären Menschen zu non-binären Themen (siehe Audio). Aber jetzt gibt es auch etwas aus der Schweiz: Im DiverSexy-Podcast wurde in der «Folge 4: No Drama?!» (9.8.2019) mit Lou «über non-binär sein» geredet. Im September startet dann der Podcast «Liebesdienst» von Maya und dort geht es um verschiedene queer-feministische Themen wie Coming Out, Labels, Privilegien etc. aus einer non-binären Perspektive.

Medienbeiträge über non-binäre Menschen

Aber auch die Beiträge, die nicht direkt von uns selber stammen werden zum Glück zusehends besser.

Der Artikel von VICE «Viele Menschen behaupten, es gäbe nur Männer und Frauen» (25.1.2019) berichtet über Sascha und Lou, die davon erzählen wie das Leben als non-binäre Personen in der Schweiz so ist.

Im Beitrag von SRF Kultur «Mein Geschlecht? «Transform» – Die Utopie der Geschlechtervielfalt» (2.2.2019) wird Romeo Koyote Rosen vorgestellt in einem Interview Text angereichert mit verschiedenen Audio- und Videosequenzen – ein Beispiel:

Auch in den Westschweizer Medien ist das Thema präsent. Der Beitrag «Je suis non-binaire» in der Sendung «Mise au point» (27.10.2019) von RTS Radio Télévision Suisse zeigt Gespräche mit verschiedenen non-binären Menschen:

Veranstaltungen in der Schweiz

Auch Events gibt es immer mehr – um andere non-binäre Menschen zu treffen, um in Workshops über das Thema mehr zu erfahren oder kulturelle Anlässe.

Bei den Romanescos haben im 2019 insgesamt 18 Events zu verschiedenen Themen stattgefunden.

An der Mitgliederversammlung 2019 von TGNS, LOS und Pink Cross in Bern (6.4.2019) wurde von Even und Chri der Workshop «Nicht-binäre Geschlechtsidentität» angeboten.

Am TGNS Trans Congress 2019 in Bern (7.+8.9.2019) gab es mehrere Workshops zum Thema non-binäres Geschlecht: Grundlagen zum Thema «nicht-binäres Geschlecht» (Chri), Experimente ausserhalb der Box (von Ali & Even), Nicht-binäre Gender-Identität und -Präsentation (Chri) sowie Nonbinary Gender Labels Biographies (von Anna Heger) .

Am 29.9.2019 wurde in Winterthur im Kino Nische der Film «Weder Noch mit Bart» von Babette Bürgi gezeigt. Der Film kann auch auf Vimeo angeschaut werden (ist auch im Bereich «Filme» aufgeführt). Die Veranstaltung wurde poetisch eingeführt mit einer Lesung von Sascha Rijkeboer und nach dem Film gab’s Q&A mit Romeo Koyote Rosen.

Die Lesungen von Sascha waren noch an vielen anderen Orten zu sehen (z.B. am lila.19 und im Kosmos) – hier ein Ausschnitt aus einer Veranstaltung im 2018:

Im Schweizer Recht

Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich (mehr dazu im Bereich «Recht») gibt es in der Schweiz vorläufig immer noch nur zwei Geschlechter im Recht. Aber immerhin: «Der Bundesrat setzt sich gegenwärtig jedoch mit der Frage nach der Einführung eines dritten Geschlechts auseinander.» (Medienmitteilung Bundesrat, 06.12.2019). In diesem Zusammenhang hat das Transgender Network Switzerland eine Umfrage durchgeführt zur Frage was die Bedürfnisse nicht-binärer Menschen in Bezug auf die staatliche Erfassung ihres Geschlechts ist. Die Ergebnisse sind beschrieben im Artikel von TGNS «Am liebsten nichts oder X» (29.11.2019).

Internationale Entwicklung

International gibt es Entwicklungen, die uns Hoffnung geben, dass non-binäres Geschlecht doch nun endlich im Mainstream angekommen ist: Bücher, Coming-outs, Puppen etc. Aber verursacht das nicht auch Backlash? Leider wird das nicht zu verhindern sein. Hoffen wir einfach, dass wir die Energie haben, damit möglichst kreativ umzugehen.

Endlich was zu lesen

Leider gibt es in Deutsch immer noch nicht wirklich viele Bücher über non-binäres Geschlecht – über Trans generell gibt es zum Glück ja doch inzwischen schon einige. Aber im 2019 sind doch wenigstens auf Englisch einige Bücher zu non-binären Themen erschienen (auch aufgeführt im Bereich Bücher): Sissy: A Coming-of-Gender Story (von Jacob Tobia), Gender Queer: A Memoir (Comic von Maia Kobabe), Life Isn’t Binary – On Being Both, Beyond, and in-Between (von Alex Iantaffi & Meg-John Barker), Nonbinary: Memoirs of Gender and Identity (herausgegeben von Micah Rajunov & A. Scott Duane). Zwar sind die meisten davon nicht wirklich Mainstream. Aber immerhin erreicht Jacob Tobia mit dem Buch «Sissy» ein breiteres Publikum (Interview The Daily Show vom 21.3.2019, auf YouTube).

Im Mainstream angekommen?

Singer-Songwriter Sam Smith hat im März 2019 ein Coming-out als non-binär (Artikel auf queer.de vom 18.3.2019). Im September 2019 bittet Sam darum, mit dem neutralen englischen Pronomen «they» bezeichnet zu werden (Artikel auf jetzt.de vom 14.9.2019).

Das US Wörterbuch Merriam-Webster kürt das Pronomen «they» zum Wort des Jahres 2019 und auch die American Psychological Association (APA) nimmt das «Singular ‹They›» in ihren «APA Style» auf (31.10.2019). Im Englischen scheint also non-binäres Geschlecht definitiv in der Sprache angekommen zu sein.

Im Deutschen ist leider noch nicht viel davon zu sehen (mehr dazu: Sprache). Ein trauriges Beispiel dazu ist auch der Stern Artikel über die Pronomen von Sam Smith, in welchem über Sam konsequent mit dem klar abgelehnten «er» geschrieben wurde – aber um genau dieses Thema geht es in dem ganzen Stern Artikel (13.9.2019)! Aber andere Publikationen geben sich da wirklich mehr Mühe: Artikel auf jetzt.de (14.9.2019).

Im November präsentiert Mattel mit Creatable World™ «eine Puppenlinie, die kreiert wurde, um alle willkommen zu heißen» (25.11.2019, Medienmitteilung) – also eine non-binäre Puppe.

Mit der Sichtbarkeit kommt auch der Backlash?

Wenn Kinder in Bezug auf ihre Geschlechtsidentität ernst genommen werden, dann ist das für die einen eine Entwicklung in die richtige Richtung aber für die anderen ein rotes Tuch. So kann sich auch der britische Moderator Piers Morgan endlos über das Thema aufregen.

Das haben auch Fox und Owl erlebt in ihrem Auftritt in der Sendung «Good Morning Britain» (Sendung auf YouTube, 17.5.2017). Aber diese lassen sich nicht unterkriegen sondern verarbeiten solche Erlebnisse zu Filmen. Der stündige Dokumentarfilm «I Am They – A Non-binary Love Story» von My Genderation (YouTube, 14.7.2019) zeigt die Geschichte von Fox und Owl.

Als dann Morgan versucht mit weiteren Provokationen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, beginnt u.a. Rain Dove (Rain auf Instagram) die Geschehnisse kreativ zu verarbeiten mit diesen beiden Videos: How to Accept Piers Morgan the Penguin (YouTube, 7.9.2019) und Piers Morgans tweet sent me on a wild adventure (YouTube, 29.9.2019). … Wir müssen dranbleiben.

Sicher nicht bloss eine Phase – wir haben vor zu bleiben

Oft wird argumentiert, dass non-binäres Geschlecht «nur eine Mode» sei. Dies würde sich auch darin zeigen, dass sich «ja nur Jugendliche non-binär definieren» und dann auch sicher wieder «aus dieser Phase herauswachsen» würden. Tja, nicht ganz. Die folgenden zwei Beiträge zeigen, dass nicht nur Jugendliche sich vermehrt non-binär definieren. Es sind auch Kinder, wie dieser Beitrag zeigt Meet the 10-year-old who is not a boy or a girl: ‚I am who I am‘ (30.4.2019, KSDK-TV) und auch ältere Semester: It’s (NOT) Just a Phase – The Experiences on Nonbinary Folks 30-70 Years of Age (YouTube Video von Ash Hardell, 17.5.2019). Dieser zweite Beitrag zeigt sieben non-binäre Personen aus verschiedenen Altersstufen.

Ergänzungen oder Änderungen?

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